Gast von „Al‑Jadeed“: Der Künstler Abed Abdi – Ursprung und Fundament der arabischen bildenden Kunstbewegung im Land

Ausgabe Nr. 5 der Zeitschrift Al‑Jadeed, Mai 1991


Wenn Sie den Künstler Abed Abdi treffen und sich mit ihm über sein Leben und seine künstlerischen Aktivitäten unterhalten, entsteht der Eindruck, einer langen und lebendigen Geschichte künstlerischer Betätigung zu begegnen – einer Geschichte, die Abdi uns durch die Ereignisse und Veränderungen im realen Leben übermittelt. Er drückt diese durch ein Geflecht aus Linien, Symbolen, Zeichen und Farben aus, das vollständige Gemälde formt – ein Zeugnis für das Leiden des arabischen Menschen in der Heimat und ein aufrichtiges, revolutionäres Zeugnis der Zerstörung, Unterdrückung und Zersplitterung, denen er ausgesetzt ist.

Vor diesem vierzig Jahre langen künstlerischen Lebenswerk – Abdis künstlerisches Leben begann bereits mit acht Jahren (Abed Abdi wurde 1942 in Haifa geboren) – ist es unerlässlich, die Entwicklung dieses Künstlers nachzuzeichnen, der das Fundament der bildenden Kunstbewegung im Heimatland gelegt hat, und sein reiches, facettenreiches Leben zu erkunden.


F: Erhalten arabische Maler materielle und moralische Unterstützung von Institutionen, die Kontinuität und Entwicklung ihrer Arbeit sichern?
Es gibt zwei eng miteinander verknüpfte Faktoren: Erstens fehlt die Unterstützung durch staatliche Institutionen in diesem Bereich, und zweitens ist das Bewusstsein in Basis‑Institutionen nahezu vollständig abwesend. Diese Institutionen betrachten künstlerische Aktivitäten lediglich als schmückende Elemente bei Musikfestivals oder pathetischen Reden unter der Video‑Kamera. Doch angesichts des beharrlichen Engagements der Künstler gibt es mittlerweile Bemühungen, den Status arabischer Künstler in Israel zu heben.


F: Lässt sich vom Malen leben?
Hat der Künstler eine Nebentätigkeit in verwandten oder angrenzenden Feldern, hilft dies, geistige Praxis anzuwenden und den Horizont des lehrenden Künstlers theoretisch zu erweitern – und so die materiellen Möglichkeiten seines Schaffens zu verbessern. Relevante Bereiche sind Grafikdesign, Bühnenbild, Buchcover, Schildergestaltung, arabische Kalligraphie oder sogar Handwerksberufe wie Schmieden oder Tischlerei. Dadurch wird die künstlerische Praxis oft zur Nebentätigkeit, die nur am Wochenende ausgeübt wird.


F: Sie waren und sind Lehrer für Malerei. Sehen Sie eine neue Generation von Künstlern, die erwähnenswert ist?
In den 1980er-Jahren wuchs das Interesse an Kunst in unserer arabischen Gemeinschaft, besonders bei jungen Leuten, die sich berufen fühlten. Ihre Zahl mag noch relativ klein sein, ist aber im Verhältnis höher als in den 1970ern. Heute gibt es gute Anwesenheitszahlen arabischer Jugendlicher an Kunsthochschulen und Lehrerbildungsstätten. 1988 etwa schloss eine Gruppe von Studierenden ihr Studium der bildenden Künste am Arabischen Lehrerseminar in Haifa ab. Zudem sind viele arabische Studierende an Bezalel, Oranim, Tel Hai und im Ausland immatrikuliert – etwa Osama Said in Deutschland und Bashir Makhoul in London.
Das zentrale Problem dieser Absolventen ist der Mangel an Arbeitsmöglichkeiten im Beruf.


F: Welche Berufsperspektiven gibt es für Kunstabsolvent*innen?
Es existieren Gelegenheiten, doch zwei Hürden stehen im Weg: Erstens, der Mangel an Stellen im Bildungsministerium, und zweitens, das fehlende Bewusstsein arabischer Institutionen für die Bedeutung und Vitalität von Kunst im öffentlichen Leben. Ein Schulleiter etwa könnte alle Fächer priorisieren – nur Kunst nicht.
Dennoch ist es nicht möglich zu leugnen, dass beide Seiten inzwischen den Wunsch zeigen, diesen Bereich zu entwickeln.


F: Arabische Künstler:innen haben noch keinen Zusammenschluss, der sie vertritt. Warum ist das so – und gibt es Bestrebungen dafür?
Ich trat 1962 als erster Araber dem Verband der israelischen bildenden Künstler bei. Nachdem die erste und zweite Generation talentierter arabischer Studierender – insgesamt etwa 20 – ebenfalls beigetreten waren, bleibt das unzureichend. Heute gibt es das Bestreben, arabische Künstler:innen zu organisieren: in einer Gruppe, die beim Bildungsministerium den Anspruch auf eine eigene Anerkennung wahrnehmen kann – wie sie jüdischen Künstler:innen zukommt.


F: Wie ist die Lage für jüdische Künstler:innen?
Staatliche Institutionen unterstützen jüdische Künstler:innen finanziell durch Zuschüsse, die ihnen erlauben, sich ganz ihrer Arbeit zu widmen. Das Bildungsministerium fördert Kulturclubs und umfassende Kunsterziehung in Schulen in Haifa und Tel Aviv, finanziert Ausstellungen, Museen und erleichtert den Erwerb von Künstlerarbeiten – all das fehlt im arabischen Sektor.
Doch es gibt positive Signale des Bildungsministeriums: Es ist bereit, zuzuhören, und zeigt Absicht zur Lösungssuche. Wir hoffen, dass daraus Realität wird.


F: Wie zeigt sich dieser positive Wandel?
Wir übermittelten eine Liste von etwa 30 aktiven arabischen Künstler:innen sowie ein Forderungsschreiben an Herrn Mowaffaq Khoury, Leiter der arabischen Kulturabteilung im Bildungsministerium. Daraufhin führten wir im letzten Monat ein Treffen mit ihm und gründeten einen kleinen Ausschuss arabischer Künstler:innen und Kunstlehrer:innen, um die Forderungen zu diskutieren und umzusetzen. Teilweise beinhalten diese, Ausstellungen in verschiedenen Regionen mit eigenem Budget zu organisieren, sowie eine jährliche regionale Ausstellung mit ein oder zwei Förderpreisen zu etablieren – mit dem Ziel, daraus eine Tradition zu machen und Stipendien für Vollzeitkünstler:innen zu schaffen.


Kunstkritiker Haim Maor über Abed Abdi:

Abdi berichtet:
„Einer der unvergesslichsten Eindrücke meiner frühen Kindheit – und zugleich Grundstein meines künstlerischen Werks – war mein Vater, der im unteren Stadtteil von Haifa auf dem Boden lag und flehte: ‘Lasst uns bleiben!’ Es war 1948. Doch seine Bitten blieben erfolglos. Mit sechs Jahren mussten wir mit meiner Mutter und Familie nach Libanon und danach nach Syrien fliehen. Nach zweieinhalb Jahren Rückkehr nach Haifa – zu einer veränderten politischen und familiären Situation.
Die vielfältigen Gefühle im Herzen des jungen Abdi sind in seine Gemälde und Drucke eingesickert – und tun es bis heute.
In den 50er-Jahren entwickelte sich seine künstlerische Kultur im Zusammenspiel mit seinem politischen Bewusstsein. Abdi erinnert sich: ‘Mein erstes Atelier betrieb Avraham Yaskil.’ Über ihn traf ich meinen Lehrer, den Maler Yehoshua Grossbard, und andere jüdische Künstler:innen. In ihren Sammlungen begegnete ich erstmals Werken mexikanischer Künstler wie David Alfaro Siqueiros und Diego Rivera und deutscher Künstler wie Käthe Kollwitz. Diese Erfahrung motivierte mich, 1965 an der Kunstakademie in Dresden zu studieren.

Haim Maor ergänzt:
„Zurzeit herrschte sozialistischer Realismus in seiner stärksten Ausprägung. Der junge Student erlangte technische Meisterschaft in Zeichnung, Grafik, Druckverfahren, Wandbild und Umweltskulptur. Er war beeinflusst von seinen Lehrern und deutschen Künstlern, die experimentellen Realismus und Sozialrealismus verbanden. Begegnungen mit Gotik, deutscher Renaissance und expressionistischen Bewegungen wie Die Brücke und Der Blaue Reiter hinterließen Eindruck. Dort spürte Abdi, wie sein künstlerisches Bewusstsein Gestalt annahm.“

Die moderne deutsche Kulturrenaissance weckte in ihm widersprüchliche Sehnsüchte. Abdi sagt: „Ich sehnete mich nach arabischer und islamischer Tradition. Ich erkannte, dass ich zum palästinensischen Volk und zum Nahen Osten gehöre – nicht zur europäischen Zivilisation.“

1972 kehrte Abdi mit einem BA der bildenden Künste aus Dresden nach Israel zurück. Er arbeitete als Buch‑ und Cover-Illustrator für arabische Zeitungen wie Al-Ittihad, Al-Jadeed und Al-Ghad. Danach unterrichtete er in Kafr Yasif und am Arabischen Seminar in Haifa.
Die Themen, die er künstlerisch bearbeitete, seine Lehre und Fassadenmalerei an Schulen und öffentlichen Gebäuden arabischer Dörfer versammelten eine Gruppe junger Künstler:innen um ihn. Diese begannen, in arabischen Gemeinden und später im Haus des Weinstocks („Beit HaGefen“) in Haifa auszustellen.
Gleichzeitig arbeitete Abdi mit jüdischen Künstler:innen wie Moshe Gat, Ruth Schloss, Gershon Knispel und Shimon Tzabar zusammen. Parallel zur wachsenden künstlerischen Selbstwahrnehmung im arabischen Milieu durchlief Abdi eine persönliche Entwicklung – weg figurativer und expressionistischer Malerei hin zur symbolischen Abstraktion.

Abdi erklärt: „Ich durchlief einen Prozess symbolischer und poetischer Verschmelzung. In meinen neuen Werken nimmt die Zahl erhobener Hände und verzerrter, gequälter Gesichter ab. Stattdessen nutze ich Form und Material als Ausdrucksmittel. Ich lege schwereren Wert auf reine künstlerische Elemente durch Zusammenfügung und Vervollständigung vergangener Komponenten.“

Heute sehen Betrachter:innen seiner Gemälde Naturszenen und den Garten rund um sein Atelier in Haifa. Er betrachtet Äste, zerfallende Steine, Metallreste und Fensterstreben – und entdeckt in deren Textur und Naturgewalten eine menschliche Präsenz. Er erklärt: „Wenn ich Stein betrachte, entdecke ich eine Seele und eine Form ähnlich dem faltigen Gesicht eines alten Mannes.“

Maor resümiert:
„Ein Rückblick auf Abdis Gesamtwerk zeigt die Suche nach der Einheit der Gegensätze. Er verbindet das mit seiner täglichen Routine: ‚Mein Weg vom Wadi Nisnas, meinem Wohnort, zu meinem Atelier im Hadar HaCarmel ist für mich exemplarisch ein Übergang von einer Zivilisation zur nächsten.‘“


Nach diesem bereichernden Gespräch, das viele unserer Fragen beantwortete und bislang verborgene Aspekte ans Licht brachte, sei erwähnt, dass Abed Abdi seine zweite Ausstellung im Haus des Weinstocks („Beit HaGefen“) am Samstag, den 25. Mai 1991 eröffnete. Die erste Ausstellung mit dem Titel „Die Stille des Meeres“ fand im Vorjahr in Tel Aviv statt.

In dieser neuen Ausstellung präsentiert Abdi einen vertrauten, aber erneuerten Stil. Seine Themen kreisen um Umwelt und soziales Milieu, zeigen menschliche Figuren, Eisenfragmente und zerrissene Nylonschnüre. Die Farbverläufe seiner Werke reichen von tiefem Schwarz über Grau bis hin zu Weiß, wobei die schwarzen Flächen von dunklen und hellen Blautönen abgelöst werden.
Die vorherige Stille weicht. Seine neuesten Werke – seit Jahresanfang entstanden – sind voller Spannung und Gefühl, beeinflusst von den Nachwirkungen des Golfkriegs. Die Überreste des Kriegs – Plastikschnipsel und verstreute Fragmente – zeigen sich auf alten Häuserfenstern als geisterhafte Zeugnisse vergangener Jahrhunderte.

Eindeutig markieren die ausgestellten Werke eine neue qualitative Phase im Weg des Künstlers Abed Abdi, beginnend mit seiner ersten Ausstellung 1972 nach der Rückkehr aus Deutschland.

Samih Sabbagh
23. Mai 1991

Let your voice be heard! Share your thoughts and ignite the conversation. Your comments matter!

GDPR

Entdecke mehr von Abed Abdi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen