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Kunst und Widerstand

Kunst und Widerstand Ein Essay von Burhan Karkutli / Institut für Palästinakunde

Ich bin Maler und kein Kunsthistoriker. Meine Erfahrung als Künstler ist das, worüber ich hier sprechen möchte, über den Widerstand in unserer Kunst. Wenn ich Fragen an die Kunst habe, gehe ich ins Museum. Die Bilder im Museum ersetzen mir die Bücher. Die Sprache der Form, die Sprache der Farbe, teilen mir mit, was der Maler sagen will.
Ich glaube, daß Künstler generell dem Widerstand angehören, weil Kunst allgemein Widerstand bedeutet. Es gibt nicht einen Widerstand in der Kunst und eine Kunst ohne Widerstand. Kunst ist immer auch Widerstand. Dieser Widerstand ist kein politischer Begriff für mich; er bedeutet vielmehr Lebenswille.
Ich bin ein politischer Maler. Aber ich mag in der Malerei nicht diese Diskussion um die „enge Linie“, die politische Richtung. Wenn ein Künstler einen schönen Baum malt, ist das Widerstand. Eine schöne Natur bedeutet Widerstand. Heutzutage ist das Bild einer heilen Natur eine Art von Widerstand, weil es ausdrückt, daß die Natur geschützt werden muß.

Kunst und Besatzung

Natürlich kann Widerstand in der Kunst klare politische Formen annehmen. In unserer arabischen, in unserer palästinensischen Kunst ist die politische Form des Widerstands ganz klar, ganz deutlich. Wir sind als palästinensisches Volk heute existentiell bedroht.
Die israelische Besetzung ist nicht nur eine militärische oder die Erfüllung eines biblischen Traumes. Die Besetzung ist auch ein Versuch, unsere Kultur total zu vernichten, so wie die Amerikaner die Kultur der Indianer und die Spanier jene der Azteken zerstört haben. Wir sehen die Gefahr, unsere Kultur zu verlieren; 400 unserer Dörfer sind seit 1948 ausradiert worden. Das ist auch ein Verlust für unsere Kultur. Unsere Tradition, unsere Folklore, unsere Kleidung, unsere Speisen sind von der israelischen Seite übernommen und als israelische Kultur ausgegeben worden. Das ist aber keine israelische Kultur, sondern arabisch-palästinensische Kultur. Israel stiehlt unseren Boden, es stiehlt unsere Kultur.
Bei uns gibt es ein Gericht, ein sehr einfaches Essen, das Felafel heißt. Es ist fast 1000 Jahre alt. Manchmal lese ich in Kochbüchern, daß Felafel ein israelisches Gericht sei. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Wir sind gezwungen, unsere Kultur zu schützen und weiterzuentwickeln. Von daher rührt unser Wille zum Widerstand in der Kunst. Das ist eine Form des Überlebens. Wenn wir nicht diesen kulturellen Widerstand hätten, gäbe es uns gar nicht mehr.

Der Widerstand in der historischen arabischen Kunst

Die palästinensische Kunst ist nur als Teil der arabischen Kunst und Kultur zu verstehen, im Rahmen der Gesamtentwicklung der arabischen Kultur. Aber jeder Teil dieses Ganzen hat seine eigene lokale Stimmung. Ich habe in vielen arabischen Ländern gelebt – in Syrien, im Libanon, Algerien, Marokko, ägypten. Die Israelis glauben, sie könnten die palästinensische Kultur vernichten. Aber das geht nicht. Die palästinensische Kultur ist ein kleiner Teil einer großen arabischen Kultur. Man kann ein Meer nicht mit einer Kelle trockenlegen. Die Israelis sind Besetzer; sie sehen die Welt nicht klar.

Malerei

Der Widerstand hat in der Geschichte der arabischen Kunst eine große Tradition, gerade in der Malerei. In der gesamten arabischen Welt gibt es eine Art von Volkskunst, Bilder, die von einfachen Künstlern gemalt sind, zuerst per Hand abgemalt, später mithilfe des Holz- oder Steindruckes vervielfältigt, heute im Offsetverfahren gedruckt. Es sind einfache Bilder, wie sie sich auch in der deutschen Kultur aus der Zeit des Bauernkrieges oder der Minnesänger finden. Bei uns lebt diese Volkskunst bis heute, überall in der arabischen Welt. Sie ist beliebt, nicht bei Intellektuellen, sondern beim einfachen Volk. Es sind Darstellungen von alten arabischen Helden, die um Gerechtigkeit kämpfen, gegen das Schlechte und Böse in der Welt.
Sehr beliebt in dieser Kunstrichtung sind Darstellungen von Ali, einem Cousin des Propheten Mohammed. Ich spreche jetzt von historischen Fakten, nicht von Glaubenskämpfen. Ali war eine Figur, die die soziale Richtung im Islam verkörpert hat; er war für die Armen, für Gerechtigkeit, für einen sozialen Islam. Deshalb ist er ermordet worden, wird aber aus demselben Grunde bis heute verehrt.

Poesie

In dieser Volkskunst sind auch Bilder des berühmtesten Dichters Antar. Antar war ein schwarzer Dichter, der vor der Zeit des Islam lebte. Er war in eine Araberin der Wüste verliebt. Die Eltern des Mädchens waren gegen die Verbindung, weil Antar schwarz war. Antar aber war ein Held und hat um seine Liebe gekämpft, mit Tausenden von Gedichten. Diese sind im Volk noch heute so beliebt wie der Dichter verehrt ist.
Der traditionelle Widerstand in unserer Kultur, in unserer Kunst liegt in dieser Volkskunst. Und die Bilder werden überall in der Straße für wenig Geld angeboten; die Leute hängen diese Bildchen dann bei sich zu Hause auf, besonders die Bauern und die armen Leute.
Zur Zeit der algerischen Revolution findet diese Volkskunst Ausdruck in den politischen Themen des Befreiungskampfes; in Portraits der gefallenen Helden der algerischen Revolution. Abdel Qader Al-Djazair beispielsweise war der Führer des algerischen Aufstandes gegen die Franzosen im 19. Jahrhundert. Das zeigt, daß der Widerstand eine sehr alte Tradition in unserer Volkskunst hat.
Auch die Kalligraphie, die Schrift ist bei uns eine Kunst. In arabischen Häusern hängen derartige Kalligraphien, meist Suren des Korans, sehr oft Texte über Gerechtigkeit, Hoffnung auf ein besseres Leben, Liebe… Auch das verstehe ich als eine Art des Widerstandes, das in dieser Kalligraphie zum Ausdruck kommt.

Die frühe Moderne in Ägypten und Irak

Dies bedeutet, daß der Widerstand in der arabischen Kunst von heute nicht einfach vom Himmel gefallen oder als intellektueller Einfluß von außen gekommen ist. Der Widerstand existiert als Element unserer Kultur schon seit langer Zeit.
Die moderne Form des Widerstands in der arabischen Kunst begann in ägypten etwa um 1920. Ich meine damit nicht jene Künstler, die in den USA oder Europa studiert haben und die dortigen Stile und Formen nach Arabien gebracht haben, sondern eine originäre Entwicklung. Es war kein Zufall, daß diese in ägypten ihren Ausgang nahm. ägypten befand sich zu der Zeit in einer großen Rebellion gegen die englische Besetzung, geführt von der damaligen Volkspartei, der Wafd. Ihr politischer Führer war Saed Sadul, ein liberaler nationaler Führer. Die Stimmung des Massenwiderstandes mit Streiks, Demonstrationen und anderen Protestformen fand sich dann auch in der ägyptischen Kunst, besonders in der Poesie – sie ist auch Kunst für mich -, in der Musik und in der modernen Bildhauerei. Der berühmteste Bildhauer der damaligen Zeit hieß Muchtar. Er hatte in Paris studiert. In ägypten gab es damals hauptsächlich Nachahmungen der griechischen und europäisch-romantischen Bildhauerei. Muchtar hat sich gefragt, warum er kopieren soll. ägypten sei voll von Bildhauerei; 4000 Jahre alt. Das sei eine große Schule für Bildhauer. So begann die neue moderne Form in der ägyptischen Bildhauerei mit alten ägyptischen Einflüssen. Die Modelle Muchtars waren oft die einfachen Leute aus dem Volk, Bauern und Bäuerinnen, arme Leute. Es gab übrigens zur Zeit der Bauernkriege in Deutschland einen deutschen Bildhauer, der ähnlich arbeitete. Riemenschneider heißt er.
Diese ägyptische Bildhauerei war eine Form des kulturellen Widerstandes gegen die britische Besetzung. Denn die Parole des Widerstandes lautete: Wir sind ägypter.
Der Musiker Sid Darwisch hat als erster eine rein ägyptische Musik kreiert. Er hat die Noten der Bauernlieder, in denen das alltägliche Leben besungen wurde, zur Grundlage seiner Lieder gemacht. Das ist bis jetzt für mich die schönste arabische Musik.
Die Malerei hat sich erst später dieser Entwicklung angeschlossen. In den vierziger Jahren trat mit Mahmoud Said ein großer Maler hervor, der seine Motive und Modelle ebenfalls im einfachen Leben suchte. Seine Bilder haben keinen direkt politischen Inhalt, aber die Motive sind Bauern, arme Leute, nicht mehr die Bourgeoisie oder der Adel. Es gibt ähnlichkeiten zur Malerei des Mexikaners Diego Rivera. Die Menschen in Riveras Bilder sind Mexikaner, in Saids Bildern sind es ägypter. Said war der erste Maler in der arabischen Welt, der den Nationalcharakter so klar herausgebracht hat. ägypten erwies sich mit diesen Entwicklungen in Politik und Kultur als Herz und Mittelpunkt der arabischen Welt.

Beispiel Irak

Der nationale Charakter in der Kunst hat sich in anderen arabischen Staaten entwickelt, z.B. in der irakischen Kunst. Irak ist ein Land großer Tradition in der Malerei und Bildhauerei. Eine Gruppe von Künstlern hat dann ebenfalls angefangen, nach der eigenen Tradition zu suchen und nicht mehr nur europäische Werke und Stile zu kopieren. Das war eine Art Widerstand gegen die koloniale Kultur Europas, nicht gegen die europäische Kultur, wie sie in Paris, London oder Madrid zu finden ist. Der Widerstand richtete sich gegen die koloniale Bevormundung, die festschreiben wollte, was Kunst ist, wie Kunst auszusehen hat… Die Kunst hat einen arabisch-irakischen Charakter gefunden, auch wieder in einer Zeit, da es einen aktiven Widerstand gegen die Monarchie im Irak gab, die von Großbritannien eingesetzt und abhängig war. Es gab eine alte Feudalherrschaft im Irak. Das Volk hat sehr gelitten und war sehr unterdrückt. Jeden Tag gab es Demonstrationen und Proteste.
Die Malerei hat einen sehr starken nationalen Charakter gehabt. Und die Kultur hat eine große Rolle gespielt. Der berühmte irakische Maler in dieser Zeit war Jawad Salim. Nach dem Sturz des Königs und der Revolution von Volk und Militär wurde er beauftragt, ein großes Denkmal zu Ehren der Revolution zu schaffen. Das Denkmal ist 10m hoch und 50m breit, aus Bronze auf Stein. Für mich ist es das schönste Kunstwerk in der modernen arabischen Kunst. Es hat vielfältige Formen der schwierigsten Techniken gelöst. Gerade damals gab es hitzige Diskussionen über das, was wirklich Kunst sei: Abstrakte Malerei, realistische, sozialistische… Jawad Salim hat dieses Problem auf einzigartige Weise gelöst. Er hat den Sieg der Arbeiter und Bauern dargestellt, ausgehend von der Unterdrückung und dem Leiden des Volkes, über den Widerstand des Volkes bis zum Sieg des Volkes. Das Denkmal ist in der Form von rechts nach links gebaut, so wie wir Araber schreiben. Salim hat die Regeln des arabischen Rhythmus bei der Einteilung des Werkes zugrundeglegt. Er hat Elemente der verschiedensten Kunstrichtungen übernommen, aber allen ihren Platz gegeben. Am Ende war es ein arabisches Kunstwerk, die erste Antwort der arabischen Renassaince auf die Moderne. Dieses Werk läßt sich mit denen Michelangelos vergleichen, der die gesamte Strömung der europäischen Renaissance geformt hat und dessen Werk bis jetzt lebendig geblieben ist.

Beispiele Algerien, Syrien, Libanon

In Algerien war die Form des Widerstandes in der Kunst bestimmt von der Brutalität der französischen Besetzung; diese wollte die algerische Kultur bis hin zur Sprache vernichten, ausrotten. Der Schaden war groß. Nach der Befreiung wurde ein Maler entdeckt, der immer nur das algerische Leben gemalt hatte, Hochzeiten, Feste, Trauerfeiern. Mohammed Ghasim, 80 Jahre alt, wurde durch seine Miniaturen berühmt als Maler der Freiheit, obwohl keines seiner Bilder direkt politisch war. Das Leben selbst war der algerische Widerstand.
In Syrien kam der Wandel vom französischen Impressionismus zu Form und Farbe des täglichen Lebens allmählich. Der syrische Realismus, der sich intensiv mit all dem beschäftigte, was die Freiheit der menschlichen Seele ausmacht, war aber auch ein Resultat des Widerstandes gegen die französische Kolonialmacht.
Im Libanon war die Kunst lange Zeit eine Gefangene der libanesischen Bourgeoisie, wo sie als Salonkitsch oder Imitation westlicher Vorbilder verkam. In der Situation des Bürgerkrieges änderte sich auch die Funktion der Kunst, die all die Schmerzen, Ausweglosigkeiten und Verzweiflungen des Bürgerkrieges nicht mehr ignorieren konnte.

Das palästinensische Beispiel

In Palästina entwickelte sich die klare Form des Widerstands in der Kunst erst nach 1948, nach der Katastrophe der Vertreibung und der Gründung des Staates Israel. Vorher war Malerei eher traditionelle Naturmalerei, auch wenn viele Maler persönlich am palästinensischen Widerstand und dem palästinensischen Aufstand von 1936 aktiv teilnahmen.
Die Vertreibung unseres Volkes und der große Schock haben viele Leiden gebracht und damit auch die erste wirkliche politische Spur in der Malerei. Wir hatten keine große Kunstbewegung, sondern nur ein oder zwei bedeutendere Maler. Einer von ihnen war Ismail Shammout. Er ist der Gründer der modernen palästinensischen Kunst. In den 50er Jahren hat Shammout an der Kunstakademie in Kairo studiert, zur Zeit Gamal Abdel Nassers in einer nationalen, patriotischen Widerstandsstimmung, in Musik, Malerei, Literatur; übrigens zur selben Zeit wie die heutigen PLO-Führer Yassir Arafat, Salah Khalaf u.a. Sie waren alle Freunde. Die erste Ausstellung von Ismail Shammout fand im ägyptischen Offiziersklub statt. Die politisch aktiven Studenten haben Shammout bei der Vorbereitung der Ausstellung geholfen. Diese Ausstellung zeigte das erste Mal jene Bilder, in denen sich das Leiden unseres Volkes widerspiegelte; es war kein politischer Widerstand. Die Vertreibung aus der Heimat stand im Mittelpunkt. Das ist schwer zu vergessen. Wenn Großvater, Großmutter, die Familie mit ein paar Habseligkeiten das Land verlassen muß, die Kinder an der Hand; manchmal mußten sie eine Woche laufen, bevor sie eine arabische Grenze erreichten. Das alles hat Ismail Shammout als Kind erlebt und in seiner Kunst dokumentiert. Das waren die ersten politischen Inhalte, Vorformen des Widerstands.

Palästinensische Kust heute

Eine deutsche Studentin der Kunstgeschichte hat sich intensiv mit der palästinensischen Kunst in den besetzten Gebieten und in Israel auseinandergesetzt. Sie hat auch ein Interview mit mir gemacht. Es ist Gabriele Heins, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, daß arabische Schulen in Israel keine Kunsterziehung haben, im Gegensatz zu den israelischen Schulen. Das ist bemerkenswert, da die Lehrpläne israelische sind. Warum wird den palästinensischen Schülern der Kunstuntericht verweigert?
Es gibt in Haifa eine Hochschule für Kunst, wo auch Palästinenser studieren können. Aber sie dürfen kein palästinensisches Leben malen, keine palästinensische Kultur, keine palästinensische Erinnerung, nur l’art pour l’art. Nur Palästinenser, die im Ausland studieren, vermögen andere Themen einzubringen. Einer von ihnen war Abed Abdi, der in der DDR studiert hat. In Israel gründete er „Werkstätten für Kunst“. Die Jugendlichen ermutigte Abdi darin, ihr eigenes Leben zu malen. Er selbst hat ein Wandbild aus Mosaiken in einer Größe von 25m gemalt. Er hat eine große Tür für eine orthodoxe Kirche gemacht. Er hat, gemeinsam mit dem israelischen Künstler Gershon Knispel, das Denkmal zum „Tag des Bodens“ für die Gefallenen des 30. März 1976 geschaffen.
In Westjerusalem gibt es eine Kunstakademie, die 1920 gegründet wurde und bis 1948 nur jüdische Künstler aufnahm. Nach 1948 haben einige der talentiertesten Palästinenser dort studiert: Suleiman Mansour, Ibrahimn Hijazi, Khalil Ryan sind heute bekannte palästinensische Namen. Aber auch an dieser liberalen Akademie dürfen palästinesische Studenten keine kritischen Bilder gegen Israel malen.
Die Palästinenser haben auch versucht, ihre eigene Kunstakademie zu schaffen, und zwar an der Bir Zeit Universität von Ramallah. Die israelische Besatzungsmacht erteilte aber keine Baugenehmigung für die Kunstakademie.
Ein ernstes Problem für die Künstler in der besetzten Heimat war auch das Fehlen eines Ausstellungsraumes. In israelischen Galerien konnten sie ihre Bilder nicht zeigen. Also gründeten sie 1979 ihre eigene Galerie, die Galerie 79. Hier konnte jeder Maler kostenlos ausstellen. Es gab dann eine Art Kulturkampf zwischen der Besatzung und den Künstlern. Ein Militärstiefel ging stets vorab durch die Ausstellung und sortierte die verbotenen Bilder aus. Wurden die Bilder dennoch gezeigt, wurde die Ausstellung geschlossen. Der Besuch in dieser Ausstellung wurde zum Widerstandsakt, da die israelischen Geheimdienste den Eingang kontrollierten. Nach langjähriger Schließung wurde die Galerie nach internationalen Protesten inmitten der Intifada wieder geöffnet.
In Gaza haben die Künstler im Jahre 1980 in den Räumen des Roten Halbmondes eine große Ausstellung zeigen wollen. Die Armee verbot die Hälfte der Bilder. Die Künstler haben sie dennoch aufgehängt. In der nächsten Nacht brannte das Gebäude völlig nieder. 52 Originalbilder wurden durch diesen Brand vernichtet. Bis heute konnte die israelische Polizei angeblich keine Täter ermitteln.
Viele Künstler landen im Gefängnis. Dr. Fathi Ghaban saß sechs Monate, weil er die palästinensische Fahne gemalt hatte, d.h. die Farben rot, grün, schwarz, weiß. Kamel Mughanni saß wegen seiner Bilder zwei Jahre im Gefängnis. Sein Haus wurde in die Luft gesprengt. Mohammed Abdel Salam war eineinhalb Jahre im Gefängnis; Khaled Al-Omari war 10 Jahre im Gefängnis – alle auch wegen politischer Aktivitäten.
Die palästinensischen Künstler in Israel (israel. Staatsbürger) dürfen keinen eigenen Verein gründen, sondern müssen Mitglieder im israelischen Künstlerverband werden.
1967, als die israelische Armee Ostjerusalem besetzte, eroberte sie auch das Kulturzentrum, indem sich zwei große Werke über Flucht und Vertreibung von Ismail Shammout befanden. Israelische Soldaten haben ihre Maschinenpistolen in die Bilder Shammouts entleert. 1982 hat die israelische Armee in Beirut ganz gezielt das Zentrum für palästinensische Kunst in Fakhani bombardiert. Nach der Besetzung Beiruts haben die Israelis Bücher, Karten, seltene Standardwerke aus dem palästinensischen Forschungszentrum gestohlen und nach Israel geschleppt – dazu noch 360 Originale von palästinensischen Künstlern. All diese Sachen wurden beim Gefangenenaustausch von 1985 zurückgegeben, weil die PLO nicht nur ihre Gefangenen, sondern auch die Bilder und Bücher zurückhaben wollte.

Zwei Charaktere

Wenn Unterdrückung herrscht, ist es nicht verwunderlich, daß auch die Kunst sich im Widerstand übt. Der Widerstand in unserer palästinensischen Kunst hat zwei Charaktere. Einer hat seine Ursache darin, daß die Künstler in der Heimat, die anderen aber im Exil leben. Wir sind ungefähr 150 palästinensische Künstler im Künstlerverband, von denen die Hälfte im Exil, die andere Hälfte in der Heimat lebt. Der Widerstand findet natürlich unterschiedliche Darstellungsformen.
Die im ausländischen Exil leben, sind in ihrer künstlerischen Darstellung generell freier. Selbst in den arabischen Ländern könne sie den bewaffneten Widerstand abbilden. Das Thema Palästina genießt eine Freiheit, die der fehlenden Demokratie in der arabischen Welt zu widersprechen scheint.
In Palästina haben die Künstler eine derartige Freiheit nicht. Dort gehen sie für das Malen der palästinensischen Farben sogar ins Gefängnis. Die Stimmung des Widerstands im besetzten Palästina hat deshalb eine sehr starke symbolische Stimmung. Und an Symbolen ist die arabische Kultur sehr reich. Ein Künstler malt eine Olivenbaum, der fest im Boden verwurzelt ist, Symbol der Standhaftigkeit und des Widerstandes, wie es jeder Bauer in Palästina verstehen wird. Tradition und Lebenskultur sind täglich bedroht und müssen bewahrt, durch die Zensur gebracht werden. Ein fliegender Vogel wird als Freiheit interpretiert, die Besetzung als Drachen. Die Zensur markiert derartige Kunstwerke nicht selten mit ihrem Stempel.
Die Künstler aus den 1967 besetzten Gebieten der Westbank und des Gazastreifens haben vielfältige Formen der Zusammenarbeit mit ihren palästinensischen und israelischen Kollegen jenseits der Grünen Linie geschaffen, darunter auch gemeinsame Austellungen für „Frieden und Freiheit“. Es waren Künstler, Dichter, Maler, Musiker, Schauspieler, die den ersten palästinensisch-israelischen Friedensvertrag abgeschlossen haben.
Das Schicksal der Künstler ist mit dem Schicksal des Volkes aufs engste verbunden. Erst die Freiheit des Volkes kann auch der Kunstwahre Freiheit geben. Erst nach der Unabhängigkeit Palästinas wird es ein Kunstmuseum geben, in dem all diese Werke der Freiheit und des Widerstandes ein dauerhaftes Zuhause finden werden.

Dieser Vortrag wurde zum ersten Mal im März 1989 in der Volkshochschule Castrop-Rauxel gehalten. In leicht veränderter Fassung konnten ihn die Besucher und Teilnehmer des BUKO-Kongresses vom 25.-28. Mai 1989 in Hamburg hören.

Quelle: ‚Palästina‘ 3/2 (1989)

 (ts)

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